Die soeben erschienene TIMSS-Studie hat Österreichs VolksschülerInnen nur mäßige naturwissenschaftliche Kenntnisse attestiert. Auch bei den älteren Kindern rangiert Physik nicht sehr weit oben auf der Liste der Lieblingsfächer. Das liegt unter anderem daran, dass die verwendeten Unterrichtsmaterialien und -konzepte zu wenig auf die Vorstellungswelt der Kinder und Jugendlichen zugeschnitten sind. Claudia Haagen-Schützenhöfer, Professorin für Fachdidaktik an der Universität Graz, hat mit ihrem Wiener Kollegen Martin Hopf neue Materialien für den Optik-Unterricht in der Mittelstufe entwickelt und ein grundlegendes didaktisches Konzept vorgelegt, wie man zentrale Lerninhalte aufbereitet und erfolgreich vermittelt. Ihre Studie wurde soeben im Journal Physical Review Physics Education Research veröffentlicht.
Gelbe Sonne
Der Großteil der SchülerInnen zwischen 10 und 14 geht davon aus, Sonnenlicht sei gelblich – wie auf Kindergartenzeichnungen. Diese hartnäckig verankerte Vorstellung behindert aber das Verständnis, warum wir Gegenstände in unserer Umgebung in verschiedenen Farben wahrnehmen können. Die ExpertInnen haben daher ein Experiment entwickelt, mit dessen Hilfe sich die weiße Farbe des Sonnenlichts und die Zusammensetzung aus den Spektralfarben nachweisen lassen.
Weiters vermuten viele Jugendliche, dass man auch bei völliger Dunkelheit etwas sehen kann, selbst wenn sie gelernt haben, dass dafür Licht auf die Netzhaut gelangen muss. „Die Übertragung von auswendig gelerntem Faktenwissen auf konkrete Beispiele gelingt kaum“, hat Haagen-Schützenhöfer festgestellt. „Kognitive Stoppschilder“ – also etwa der simple Satz „von nix kommt nix“, ohne Lichteinfall keine visuelle Wahrnehmung – helfen, alte, falsche Denkmuster zu überwinden.
Auf die Probe gestellt
Um physikalische Konzepte wirklich so aufbereiten und vermitteln zu können, dass die SchülerInnen diese auch erfolgreich verarbeiten können, haben die ForscherInnen ihr Unterrichtsdesign sechs Jahre lang evaluiert und kontinuierlich adaptiert. 3500 Kinder und Jugendliche beantworteten einen Fragebogen zu ihren Lernprozessen, mit mehr als 120 führten die WissenschafterInnen ausführliche Interviews. „So konnten wir Verständnisschwierigkeiten und Vorstellungen identifizieren, die bisher noch keine Beachtung in der didaktischen Forschung hatten“, resümiert die Physikerin.
Mit ihrer Studie haben Haagen-Schützenhöfer und Hopf auch eine methodische Lücke im Bereich der Lehrgangs- und Materialentwicklung geschlossen. „Wir haben gezeigt, wie man ein lernwirksames Unterrichtsdesign regelgeleitet und forschungsbasiert schaffen kann“, so die Fachdidaktikerin. Damit steht ihren KollegInnen eine neue Grundlage zur Verfügung, um künftig weitere Themen noch verständlicher und an die Lebensrealität ihrer SchülerInnen angepasst vermitteln zu können.
Publikation:
Claudia Haagen-Schützenhöfer & Martin Hopf: „Design-based research as a model for systematic curriculum development: The example of a curriculum for introductory optics“, Physical Review Physics Education Research (Vol. 16, Nr. 2)
DOI: 10.1103/PhysRevPhysEducRes.16.020152